Landesdelegiertenversammlung bestimmt die Richtung des vds

 Vom 20. - 21.Mai fand die Landesdelegiertenversammlung des vds Landesverbands Bayern statt. 53 delegierte, stimmberechtigte Mitglieder aus den bayerischen Bezirken des Landesverbandes trafen sich auf Einladung des Bezirksverbands Schwaben in Augsburg, um sich mit aktuellen Fragestellungen aus dem Bildungsbereich und speziell dem sonderpädagogischen Umfeld auseinanderzusetzen und die Leitlinien der Verbandsarbeit für die nächsten zwei Jahre festzulegen

An der Eröffnungsveranstaltung nahmen u. a. Vertreter:innen des Bezirkstages Schwaben die Landtagsabgeordneten Andreas Jäckel (CSU) und Dr. Simone Strohmayr (SPD), sowie neben weiteren Vertreter:innen der Schuladministration auch Regierungsschuldirektor Klaus-Peter Brünig und Ministerialrat Klaus Gößl vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus teil.

Im Festvortrag bearbeitete Professor Dr. Stephan Ellinger vom Lehrstuhl für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen der Universität Würzburg das Thema „Soziallage und Resonanzerleben – warum die Herkunft unser Lernen prägt“. Es ist hier nicht der Ort, ausführlicher auf die Ausführungen Professor Ellingers einzugehen; sie lassen sich hoffentlich in einer zeitnahen Veröffentlichung nachlesen, um den Gedankengängen intensiver nachzuspüren. In einem lebendigen – und durchaus mit Humor gewürztem – Vortrag beleuchtete der Referent in drei Schritten den Themenbereich: (1) Soziale Gefährdungslagen für Heranwachsende in der Gesellschaft, (2) Resonanzerleben und Entfremdungserfahrung, (3) Resonanzbenachteiligung und Konsequenzen in der Schule. Er arbeitete am „Modellfall Würzburg“ verschiedene Lebensumstände im gesellschaftlichen Umfeld von Heranwachsenden heraus. Nur so viel dazu: Gelingt es Schule, Kinder aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Umfeldern vorbehaltlos aufzunehmen und in ihrem „Sosein“ respektive „Anderssein“ anzuerkennen? Oder verführt eine „Normalitätsvorstellung“ von Lehrkräften zur Abwertung von Abweichungen? Große Nachdenklichkeit im Auditorium.

Im Rückblick auf die letzten beiden Jahre und im Blick auf die aktuelle Lage stellte der Vorsitzende Hans Lohmüller fest: In den letzten beiden Jahren haben Lehrkräfte, Eltern, Schulleitungen, und Schüler*innen Außergewöhnliches geleistet. Pädagogische Nähe und Qualität von Bildungsprozessen mussten unter dem Einfluss der Pandemiebeschränkungen verteidigt, wiedergewonnen und teils neu definiert werden. Es ist dem Verband in vielen Bereichen gelungen, die Interessen und Bedarfe der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch unter diesen erschwerten Bedingungen in den Fokus bildungspolitischer Entscheider*innen zu rücken. Häufig wurde und wird die konkrete Arbeit mit dem Mangel an Fachkräften in allen sonderpädagogischen Arbeitsfeldern konfrontiert. Gleichzeitig haben die Vielfalt und Komplexität sonderpädagogischer Arbeitsfelder zugenommen.

Dennoch ist es dem Verband Sonderpädagogik u. a. in Kooperation mit weiteren Verbänden und Gremien gelungen,

· dass die Finanzierung der Berufseinstiegsbegleitung für Jugendliche, die zum Ende der Schulzeit noch nicht die nötigen Qualifikationen erreicht haben, zunächst für ein weiteres Schuljahr gewährleistet ist,

· dass mit dem Start der Initiative „Inklusive Region“ passgenaue Konzepte und Förderorte für Kinder und Jugendlichen mit ihrem ganz individuellen Förderbedarf entwickelt werden,

· sich während der Coronapandemiekrise mit hohem Engagement für die Lebenslagen der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und hohem Erkrankungsrisiko einzusetzen.

Erfahrungen aus der Zeit der immer noch andauernden Covid-Corona-Krise zeigten auch auf, dass der regelmäßige Schulbesuch für Kinder und Jugendliche mit speziellen Behinderungen bzw. Einschränkungen deutlich erschwert oder gar verhindert war. Dies ist u. a. auch fehlender räumlicher und sächlicher Ausstattung und vor allem fehlendem Fachpersonal geschuldet, die zu Überlastung in Schulen, vorwiegend sonderpädagogischen Einrichtungen, führt und die Aufnahmekapazität einschränkt. Diese Einschränkungen wirken weiterhin und werden durch die zusätzliche Schulaufnahme von Kindern und Jugendlichen verstärkt, die aufgrund des von Russland veranlassten Krieges aus ihrem Heimatland geflüchtet sind.

In regem Meinungsaustausch wurden auf dem Hintergrund der eingereichten Anträge aktuelle und drängende Probleme in Bereichen sonderpädagogischer Förderung benannt und um Lösungen gerungen. Immer ging es darum, nicht nur Forderungen zu stellen, sondern auch darum wo kann sich der Verband mit seiner fachlichen Expertise einbringen.

Eine Auswahl der bearbeiteten und lebendig diskutierten Themenbereiche der Landesversammlung:

Wie gelingt es, das Studium für das Lehramt attraktiver zu gestalten und dafür Nachwuchskräfte zu gewinnen? Personelle Unterstützungen sind bitter notwendig. Welche Unterstützungsmaßnahmen, z.B. in Form von Fort- und Weiterbildung und/oder Anerkennung, sind notwendig, um aktive Lehrkräfte und sonstiges Personal an den Förderzentren „in Form“ zu halten und notwendiges Rüstzeug für ihre Arbeit zu liefern? Sonderpädagogische Fördereinrichtungen aller Förderbereiche stoßen an ihre Kapazitätsgrenze, Schüler*innen werden von allgemeinen Schulen als nicht mehr tragbar eingestuft – der vds sieht das Recht auf Bildung für einen Teil der Schülerschaft gefährdet. Es fehlt an adäquaten Förderkonzepten und Einrichtungen. Befürchtet wird, dass Angebote zurückgefahren werden, wie jüngst die Berufseinstiegsbegleitung, die nach langem Hin und Her nur um ein Schuljahr verlängert wurde. Wie ist die Situation von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen; können sonderpädagogische Dienste effektiv zum Wohle dieser Personengruppe arbeiten oder sind sie (nur) Notnagel? Inklusion trippelt vor sich hin, die Schülerschaft an Förderzentren steigt. Unterstützung durch soziale Dienste (Jugendsozial- bzw. Schulsozialarbeit), Qualifizierung von weiterem Personal, das in sonderpädagogischen Einrichtungen tätig ist – z. B. heilpädagogische Unterrichtshilfen – sind notwendige Voraussetzungen, um erfolgreich Präventionsarbeit und schulische Förderung zu leisten.

Nachdrücklich sicherte der Vorsitzende des Landesverbandes Hans Lohmüller zu, dass sich der vds Landesverband Bayern weiterhin engagiert im politischen und gesellschaftlichen Umfeld sowie bei den zuständigen Staatsministerien und Personen der Schuladministration einsetzt, um die Qualität sonderpädagogischer Förderung an allen Orten zu sichern, wo Kinder und Jugendliche ihrer Unterstützung bedürfen.

powered by webEdition CMS